Update zur Arbeitszeiterfassung und zum Arbeitszeitgesetz

Zwei Rechtsanwälte besprechen das neue Urteil zur Arbeitszeiterfassung

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mandanten,

letztes Jahr um diese Zeit hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit seinem Urteil vom 13.09.2022 festgestellt, dass für Arbeitgeber die Pflicht zur Vollerfassung der Arbeitszeit besteht. Das Urteil ging damals durch alle Medien und führte zu erheblicher Verunsicherung bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

Klarheit erhofften sich alle Beteiligten von der für das Jahr 2023 vollmundig angekündigten Reform des Arbeitszeitgesetzes. Auch hinsichtlich der alltäglichen Umsetzungsschwierigkeiten des nicht mehr zeitgemäßen Arbeitszeitgesetzes erhoffen sich viele Arbeitgeber praxistauglichere Lösungen. Leider lässt das Gesetz weiter auf sich warten. Doch auch ohne Gesetzesreform ergeben sich schon aus den beiden Urteilen neue Anforderungen an die Dokumentation der Arbeitszeit. Diese stellen wir Ihnen in diesem Beitrag kurz vor.

 

Verpflichtende Arbeitszeiterfassung in der Schwebephase

Wie wir bereits in unserem Blog-Beitrag vom Oktober 2022 ausführlich berichtet haben, muss die Arbeitszeit nun erfasst werden. Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil entschieden, dass eine Vollzeiterfassung vorzunehmen ist. Das bedeutet, dass die gesamte Arbeitszeit jedes Arbeitnehmers, einschließlich Überstunden, zu erfassen ist. Dabei stützt sich das Gericht im Wesentlichen auf die Generalklausel des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG).

 

Das ändert sich bei der Arbeitszeiterfassung

Eine ausdrückliche gesetzliche Pflicht für jedermann zur Vollzeiterfassung gab es bisher nicht. Bisher schrieb das Arbeitszeitgesetz nur vereinzelte Dokumentationspflichten ausdrücklich vor (z. B. für die über 8 Stunden am Tag hinausgehende Arbeitszeit oder Sonn- und Feiertagsarbeit). Weitere Dokumentationspflichten ergaben sich aus Tarifverträgen und spezialgesetzlichen Regelungen wie dem Mindestlohngesetz. Diese gelten auch weiterhin.

 

Wie lange müssen die Aufzeichnungen aufbewahrt werden?

Solange der Arbeitgeber eine aufbewahrungstaugliche Dokumentationsform wählt und die gesetzlichen Aufbewahrungsfristen einhält, ist er bislang frei dabei, welche Form er verwenden möchte. Die Zeiterfassung muss also nicht zwingend elektronisch erfolgen. Die Aufzeichnungen sind aber in jedem Fall mindestens zwei Jahre und maximal 10 Jahre lang vom Arbeitgeber aufzubewahren.

 

Was bedeutet das Urteil für die Vertrauensarbeitszeit?

Die Vertrauensarbeitszeit, also eine flexible Regelung der Lage der Arbeitszeit, wird durch das Urteil bisher nicht beeinträchtigt, jedoch die Dokumentationspflichten ausgeweitet. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts müssen Arbeitgeber immer eine Vollzeiterfassung vorzunehmen, außer der Gesetzgeber regelt künftig etwas anderes.

Das „Wie“ der Dokumentation lässt das Bundesarbeitsgericht hingegen offen, solange die vorgenannten Dokumentationskriterien erfüllt sind. Konkrete Anforderungen an die Dokumentation zu regeln, sei Aufgabe des Gesetzgebers – der dieser aber bis heute nicht nachgekommen ist.

 

Ausblick: Klarheit bringt erst die Gesetzesreform

Eine klare Regelung fehlt indes nicht nur zu den Dokumentationspflichten. Aktuell stehen weder die konkreten Inhalte des neuen Arbeitszeitgesetzes noch ein konkreter Zeitpunkt fest, ab dem dieses gelten wird.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hatte zunächst eine grundsätzliche elektronische Aufzeichnung der täglichen Arbeitszeit (Beginn, Ende und Dauer, jedoch nicht der Pausen) aller Beschäftigten in Deutschland geplant. Ausnahmen von der elektronischen Erfassungsform hätte es dabei nur noch für Kleinstbetriebe geben sollen. Diese hätten die Arbeitszeit dann aber in anderer, geeigneter Form dokumentieren müssen. Die Vertrauensarbeitszeit würde aber im genannten Umfang fortbestehen.

Dieser Referentenentwurf ist mit hohem bürokratischem Aufwand für die Unternehmen verbunden. Er schießt damit über die Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts weit hinaus. Andere Akteure wollen hingegen „lockerere“ Regelungen. Es sei an der Zeit für moderne und flexiblere Arbeitszeitmodelle. Wann und in welcher Endfassung die Gesetzesreform zum Abschluss kommt, steht aktuell noch in den Sternen.

 

Was ist zu tun?

Doch egal, wann die Reform des Arbeitszeitgesetzes kommen wird: Als Arbeitgeber fragen Sie sich wahrscheinlich, was jetzt schon zu tun ist. Im Folgenden finden Sie darum eine kurze Übersicht über die wichtigsten Maßnahmen, die Sie jetzt umsetzen sollten.

Arbeitszeiten unbedingt schriftlich erfassen

Falls Sie es noch nicht getan haben sollten, kommen Sie der Dokumentationspflicht ab sofort nach. Es ist damit zu rechnen, dass die Aufsichtsbehörden das Thema im Fokus haben und sich bei Prüfungen auf das genannte Urteil berufen werden. Eher früher als später werden die Aufsichtsbehörden damit beginnen, Verstöße gegen die Dokumentationspflicht zu sanktionieren.

Lassen Sie alle Ihre Arbeitnehmer mindestens schriftlich in einer Auflistung Beginn und Ende der Arbeitszeit nebst Pausen erfassen. Dies dient zum vollständigen Nachweis der täglichen Arbeitszeit. Wie das in der Praxis am einfachsten funktioniert? Denkbare Lösungsansätze haben wir in unserem Blog-Eintrag aus dem Oktober 2022 für Sie zusammengestellt.

 

Passende Dokumentationsform und Handhabung wählen

Beschäftigen Sie sich zeitnah damit, welche Dokumentationsform und Handhabung für Ihr Unternehmen passend und praktikabel ist und führen Sie spätestens jetzt zeitnah eine Vollzeiterfassung ein.

Sollten Sie feststellen, dass Sie die Dokumentation von Über- und Unterstunden (z. B. bei bisheriger Vertrauensarbeitszeit) nicht mehr wie bisher handhaben können, sollten Sie sich arbeitsrechtlich beraten lassen. Gemeinsam mit Ihrem Anwalt können Sie entscheiden, wie Sie die Dokumentation in Zukunft am besten handhaben. Eine endgültige Lösung wird aber erst dann realisierbar sein, wenn das neue Arbeitszeitgesetz die offenen Fragen regelt und in Kraft tritt.

Bei Fragen rund um das Thema oder falls Sie über die Einführung oder Ausweitung der Arbeitszeiterfassung in Ihrem Betrieb nachdenken, stehen wir Ihnen als Ansprechpartner gerne zur Verfügung.

Ihre Packowski Rechtsanwälte